RRX-Gutachten der Stadt Düsseldorf: Auswertung

Die Initiative Angermund hat die RRX-Gutachten, die die Stadt Düsseldorf in Auftrag gegeben hat, ausgewertet und kommt  zu folgender Bewertung:

Die Kernaussagen in den RRX-Gutachten
„Es liegen Lärmbelastungen von über 70/60 db(A) tags/nachts vor. Nach allgemeiner Rechtsprechung kann aber bei dieser Belastung eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden“. (Umweltamt, S.2)

Anmerkung der Initiative Angermund: Das Umweltamt erkennt die Gesundheitsgefährdung in Angermund gutachterlich eindeutig an. Jenseits der im Gutachten aufgeführten Lärmpegel 70/60 dB(A) sind die Lärmbelastungen in Angermund leider noch höher. Bereits in den 90er Jahren sind von der Universität Düsseldorf in Angermund Schallpegel von 99 Dezibel gemessen worden. Die zum Teil enormen Diskrepanzen zwischen berechneten und tatsächlich gemessenen Lärmwerten sind vor allem dem Berechnungsverfahren für Bahnlärm (Schall 03) geschuldet. Dieses Verfahren wurde im wesentlichen durch den Lärmverursacher (Deutsche Bahn) gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium und dem Schallgutachter Möhler & Partner erarbeitet. Wegen grundgesetzlicher Bedenken bereitet die Bundesvereinigung gegen Schienenlärm e.V. derzeit eine Verfassungsklage gegen die Schall 03 vor.

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Lärm wird berechnet. Wie? Das haben im wesentlichen die Lärmverursacher selbst in der sog. Schall 03 festgelegt. Bild: www. schienenlaerm.de

 

„Vom Gesetzgeber wird gefordert, dass vorrangig mit aktiven Lärmschutzmaßnahmen die resultierenden Schutzfälle gelöst werden (Ziel: Vollschutz) soweit die Aufwendungen nicht außer Verhältnis zum Schutzzweck stehen.“ (Umweltamt, S.3)

Anmerkung der Initiative Angermund: Das Umweltamt weist darauf hin, dass der Lärmschutz am Schienenweg gesetzlich durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz – BimSchG geregelt wird. Im Gesetz ist das Gebot des aktiven Lärmschutzes an der Lärmquelle fest verankert (vgl. u.a. § 1 Vorsorgeprinzip). Durch den sog. Rheintalbeschluss im Januar 2016 hat der Gesetzgeber dafür gesorgt, dass auch kostenintensivere Maßnahmen des Lärmschutzes realisiert werden (vgl. Offenburger Tunnel, Mehrkosten zur DB-Schallschutzlösung: 1,18 Mrd. EU). Der oben aufgeführte Vorbehalt der Finanzierbarkeit ist damit überwunden und die Tür zur Finanzierung der kostenintensiveren Einhausung durch den Gesetzgeber/Bund steht offen.

 

 

Isohonen Karte zur Einhausung in Angermund (Quelle: Möhler & Partner): Im Bereich der Einhausung (dicke rote Linie) gibt es keine schädlichen Emissionen mehr. Der Lärm ist eingepackt.

 Schallgutachten bestätigt: Die Einhausung schafft den gesetzlich geforderten Vollschutz für die Menschen in Angermund. Sie schützt zu 100 %.

 

 

„Im Sinne einer umfassenden Variantenbetrachtung zur Optimierung des geplanten Lärmschutzes wird vom Umweltamt die detaillierte Betrachtung weiterer Lärmschutzvarianten als sinnvoll erachtet.“ (Umweltamt, S.7)

Anmerkung der Initiative Angermund: Das Umweltamt fordert eine Optimierung der bestehenden Planung und erkennt mit diesem Fazit ganz offensichtlich die unzureichende Schutzwirkung der DB-Lösung an. Ziel sollte es sein, die Planung des Vollschutzes in Form einer geländegleichen Einhausung voranzutreiben. Die Idee des Umweltamtes, die Schallschutzwände immer höher zu schrauben, um damit den Bahnlärm – rein rechnerisch – zu reduzieren, konterkariert hingegen das übergeordnete Absicht der Stadt Düsseldorf, eine städtebaulich verträgliche Lösung zu realisieren und funktionale Mängel im Stadtteil zu beheben. Hinzu kommt, dass mit zunehmender Höhe der Lärmschutzwände – gerade an Hochgeschwindigkeitstrassen wie der in Angermund – Druckschwankungen und damit Anforderungen an die Statik zunehmen. In Bayern beispielsweise hielten Lärmschutzwände den Belastungen an diesen Trassen nicht stand, wackelten, verschleißten offenbar schnell und mussten nach 10 Jahren kostenintensiv neu gebaut werden müssen. Deshalb sollte dieser Idee eine Absage erteilt werden.

 

 

„Ziel des vorliegenden Variantenvergleichs ist es, auf Basis einer technischen und kostenmäßigen Plausibilitätsprüfung der vorliegenden Unterlagen eine Aussage zu treffen, ob die vorliegenden Unterlagen als Entscheidungsgrundlage zwischen den Varianten „höhengleiche Erweiterung“ und „Einhausung“ ausreichen oder eine Veranlassung für weiterführende Planungen besteht. Eigene unabhängige oder vergleichende Planungen sollen durch die STUVA nicht erfolgen.“ (Stuva, Seite 8)

 Anmerkungen der Initiative Angermund: Die Aufgabenstellung für die Stuva bezieht sich auf den Planungsstand der Einhausung vom Februar 2016. Seitdem hat die Initiative Angermund bzw. die Planer der Dr. Spang Optimierungen der Einhausungslösung verfolgt (geländegleiche Einhausung). Die Prüfung oder Weiterführung dieses aktuelleren Materials durch die Stuva ist offen-sichtlich nicht Bestandteil der Aufgabenstellung gewesen.

 

 

„Denkbare Varianten, wie z. B. eine Verlegung oder eine Unterquerung des Bachs, werden in der vorliegenden Machbarkeitsstudie nicht betrachtet.“ (Stuva, S. 10)

Anmerkung der Initiative Angermund: Eben eine solche Unterfahrung des Angerbachs ist von der Initiative Angermund bzw. von den Ingenieuren der Dr. Spang GmbH bei der Weiterplanung der Einhausung berücksichtigt worden. Dadurch wird eine längere Tieflage der Gleise nördlich der Einhausung und damit deutlich besserer Lärmschutz bis zur Stadtgrenze möglich. Der natürliche, offene Verlauf der Anger wird erreicht und die Durchgängigkeit für die aquatische Fauna sichergestellt.

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Eine Unterquerung der Anger ermöglicht die Tieferlage der Gleise  im Norden von Angermund  und damit für den bestmöglichen Lärmschutz. (Bild: projektinferno), Stand Juni 2017.

Am Rande sei erwähnt, dass die Stadt Düsseldorf gemeinsam mit der Deutschen Bahn für den RRX in Reisholz eine Verlegung und Dükerung des Hoxbachs plant.

 

 

„(Es) ... besteht ferner die Möglichkeit einer kompletten Tieflage der Bahntrasse als Tunnelbauwerk mit einer Tunneldecke auf Geländeniveau. Der Vorteil dieser Variante besteht in erster Linie aus der weitgehenden Beseitigung der Barriere „Bahn“, der Öffnung neuer und barrierefreier Wegebeziehungen und einem Angebot an öffentlich nutzbaren Freiräumen.“ (Pesch, S. 58)

Anmerkungen der Initiative Angermund: Pesch weist ebenfalls auf die enormen Vorteile einer geländegleichen Einhausungslösung/Tieferlage der Bahntrasse hin. Warum der Gutachter diese Variante aus städtebaulicher Sicht weder verfolgt, noch Optimierungsmöglichkeiten aufzeigt – und das, obwohl diese Leistungen beauftragt wurden, ist für uns schwer nachzuvollziehen.

 

 

„Der intensive Austausch mit den Bürgern ist ein grundlegender Baustein unserer Projekte.“ (Pesch-Webseite, Stand: 2.1.2018)

Planung im Dialog – so fasst Pesch seine eigene Arbeitsweise auf der firmeneigenen Web-seite zusammen. Ein solcher Dialog mit den Bürgern der Initiative Angermund und den Einhausungsexperten von Dr. Spang hätte die Qualität des Gutachtens sicherlich noch optimieren können. Da auch nachvollziehbare Herleitungen und Definitionen fehlen, ist der Erkenntnisgewinn durch dieses Gutachten unserer Ansicht nach als eher durchschnittlich einzustufen. Planfeststellungs- und abwägungsrelevante Aussagen wie die zur Finanzierung der Einhausung oder zum Grad der Betroffenheit (vgl. S.58) fallen zudem sicherlich weniger in den Kompetenzbereich von Stadtplanern, sondern sind Sache der politischen und juristischen Entscheider.

Stellvertretend für die offensichtlich sehr beschränkten und wohl rein theoretischen Möglichkeiten zur städtebaulichen Aufwertung der DB-Schallschutzlösung, greift die Initiative Angermund hier exemplarisch zwei Empfehlungen aus dem Pesch Gutachten auf:

  • Einbau transparenter Elemente in den Lärmschutzwänden. Dieser Vorschlag mutet im Rahmen des RRX-Projekts realitätsfern an. Das zeigt unlängst die Diskussion um die denkmalgeschützte Buscher Mühle in Derendorf. Denn: Solche Wände führen zu Dezibelabzügen im berechneten Schallgutachten und sind ein bevorzugtes Ziel für Graffiti und damit städtebaulich kontraproduktiv. Die DB lehnt diese Wände bekanntlich ab.
  • Begrünung der Lärmschutzwände: Dieser Vorschlag ist wohl eher theoretischer Natur. Denn Pesch selbst räumt im Gutachten einschränkend ein, dass eine „Grüngestaltung unmittelbar an der Lärmschutzwand nicht sichergestellt werden kann“ (Pesch, S. 55).

Angermund ist weit über 825 Jahre alt. Wir erlauben uns deshalb abschließend, das Pesch Gutachten dahingehend zu ergänzen, dass sich der historische Stadtkern und Mittelpunkt des kulturellen Lebens (u.a. mit der katholischen Kirche und dem denkmalgeschützten Bürgerhaus) vielmehr auf der Graf-Engelbert-Straße befindet. Der „Wendehammer“ rund um den Haltepunkt dient Pendlern lediglich zum Ein-/Zu-/Austeigen aus Bus oder der S-Bahn (Pesch, S.12).